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Schön ist eigentlich alles - außer Koliken

Ein berühmtes Zitat. Ein Wort-Meme. Das Internet sagt: Christian Morgenstern war es. Es geht so:

Schön ist eigentlich alles, was man mit Liebe betrachtet.

Es ist aus dem Zusammenhang genommen, weil es so schön treffend ist. https://www.aphorismen.de/zitat/6601 Stufen. Eine Entwicklung in Aphorismen und Tagebuch-Notizen, 1917.

Weiter geht es so:

Je mehr jemand die Welt liebt, desto schöner wird er sie finden.

Mir gefällt, dass Morgenstern die übliche Herangehensweise links liegen lässt, denn wir lieben gerne das Wahre und Schöne, das Komplette, Ganze und Verehrenswürdige, dem wir anzugehören wünschen.

Können Gallensteine schön sein?

Manche bewahren auf, was sie quälte. Gallensteine liegen in einem Glas. Ein Grün wie aus einem Horrorfilm, in verschiedenen Größen, aber alle identisch geformt wie der Abdruck einer Form und mit einer andersfarbigen Abbruchstelle. Da liegen sie im Glas und sind draußen.

Shit happens

Seitenstiche gehen weg. Aber am Freitag gingen die nicht weg, außerdem lag ich schon im Bett. Wo sollten die denn herkommen? Dann gingen sie doch weg.

Aber Samstagnacht gingen sie nicht mehr weg und wurden immer schlimmer. Es waren auch eher Krämpfe als Stiche. Was für ein Organ liegt denn da, wo es weh tut? Normalerweise bemühe ich die Suchmaschine oder das Netzwerk (SocialMedia, Telefon, Nachbarinnen, wie auch immer), aber das ging schon nicht mehr.

112

Gut, dass der Schmerz so groß war, dass ich nicht mehr darüber nachdenken konnte, ob die Wohnung wohl aufgeräumt und ich wohl richtig angezogen bin. Zwei junge drahtige Sanitäter entschieden, dass ich ins Krankenhaus gehöre und nahmen mich mit.

Opium

Irgendwann ... diese holprigen Straßen, es ist unglaublich, die Fahrt nahm kein Ende und die Schmerzen wurden immer schlimmer. Irgendwann waren wir im Krankenhaus, in der Notaufnahme, in einem Zimmer, Menschen, freundliche Menschen, Fragen und Handlungen und *seufz* Schmerzmittel. Haaaaach. Endlich. Hin und her und da und hier und Messen und Fragen und es liegt am Urin. Ich komme auf die Privatstation, weil alles andere dicht ist. Da werde ich getestet auf Covid-19 (oder war es schon vorher? nein, es war erst auf dem Zimmer). Maske auf, wenn jemand reinkommt, ich bin isoliert, die Schmerzen kommen wieder, das nächste Schmerzmittel. Schlafen.

Sonntag im Krankenhaus

Alle, die reinkommen ins Zimmer, stellen sich mir vor.

Auf die Schnelle hatte ich von Zuhause das Handy und das Ladekabel mitgenommen. Optimistin. Jetzt hatte ich Zeit, über die Informationen an meine Lieben nachzudenken. Nach und nach und in der richtigen Reihenfolge. Zum ersten Mal in meinem Leben erlebe ich Anteilnahme und Sorge "von der anderen Seite". Ich bin dankbar für freundliche Worte und Kontakt. Alles andere ist nicht nötig. Ich erwarte von niemandem, mich zu heilen.

2 Mitfrauen vom Beginenhof bringen eine Tasche mit meiner Bestellung und kleinen Aufmerksamkeiten zur Pforte. Schön.

Jetzt bin ich 60. Muss ich jetzt eine Tasche für Notfälle packen und in die Ecke stellen?

Ich muss nüchtern bleiben wegen einer geplanten OP, kann dann doch essen und werde auf die normale Station verlegt. Mit mir ist eine 40jährige Mutter auf dem Zimmer, die eine lange Lebensgeschichte und viel Erfahrung hat. Von ihr weiß ich, dass das Ziehen des Katheders nicht weh tun wird.

Sonntag OP

Ich bekomme eine Schiene, die den Harnleiter weitet, damit mir demnächst der Stein entfernt werden kann. Die OP vergeht im Traum. Alles ist gut, außer Katheder und Infusionszugang in der Ellebogenbeuge. So kann ich nicht schlafen. Aber es ist erstaunlich, was der Mensch alles kann.

Die Welt betrachten

Beim Aufbruch unter Schmerzen blieb das TE DEUM Zuhause. Beten kann ich auch so. Es ist eine neue Erfahrung, dass ein Gebet nicht nötig ist. Es ist so wenig nötig wie eine sofortige Heilung. Das Liegen, das Schlafen, das Nichtdenken. Das Gespräch mit der Zimmernachbarin. Gott ist da. Gott existiert ohne mein Lob. Es ist gut so.