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Fußball als Grenzerfahrung

Am 12. Juni 2021 brach bei der Fußball-Europameisterschaft im Spiel Dänemark : Finnland ein dänischer Spiel gegen Ende der 1. Halbzeit zusammen. Leidende Fußballer sind uns vertrauter, darum brauchten wir ein wenig, bis wir den Ernst der Lage erkannten. Ein Spieler winkte seine Vereinskollegen heran. Sie bildeten ein Schutzschild um den, der von Sanitätern wiederbelebt wurde. Einige Spieler weinten. Dem Kommentator gingen die Worte aus. Auch dem Publikum im Stadion gingen die Aktionsmöglichkeiten aus.

Das Spiel war um 17.00 Uhr angepfiffen worden. Um 20.30 Uhr wurde es fortgesetzt, nachdem klar war: der Spieler lebt, er ist im Krankenhaus, wird weiter untersucht, ist gut versorgt und hat über einen Messenger mit seinen Kollegen gesprochen und sie aufgefordert, weiterzuspielen.

Wer diese Zeit der Unruhe miterlebt hat, konnte etwas von den Grenzen unserer Lebensgestaltungsmöglichkeiten als Menschen in dieser Welt lernen. Grade beim Fußball geht es um Geld. Die Werbung spielt eine große Rolle. Bei dieser Europameisterschaft ist auch das Beisammensein ein enormer Wert. Wir haben hier eine Großveranstaltung, die in der abklingenden Pandmie stattfindet. Aber auch das ist ungesichert. Es wird weiter Escape-Varianten des Virus geben. Wir wissen nicht, was wird.

Grau is' im Leben alle Theorie – aber entscheidend is' auf'm Platz.

Alfred Preißler

Vertrag, Versicherung und jede Menge Kohle

Manchmal zählen wir unser Geld und denken über unser Leben nach und treffen eine Bewertung. Manchmal tun wir dasselbe mit dem Leben anderer.

Manchmal machen wir uns Sorgen. Manche schwören auf Natur, andere auf Macht, wieder andere haben aufgegeben.

Manche lassen sich mittragen, manche müssen mitgetragen werden, manche müssen immer vorne sein.

Am Samstag den 12. Juni 2021 gingen uns die Worte aus. Das ZFD sendete irgendwann nur noch ein Bild mit dem Satz, es gäbe momentan keine Liveübertragung. Alle hatten es versucht, niemandem war was Gescheites eingefallen, und als es allen Verantwortlichen klar war, war quasi Testbild angesagt.

Manchmal ist Zeit für Garnichts, Schweigen, Nada, nennen Sie es, wie Sie es nennen wollen. Dann ist es gut, wenn alle einsehen, dass sie nichts zu sagen haben. Das ist genau dann, wenn alles, was wir für lebenswichtig halten - einen unkündbaren Arbeitsvertrag, Versicherungen für alle Eventualitäten (+ einem Altar für den unbekannten Gott) und keine Geldsorgen - nichts mehr wert ist. Die Lebenserfahrenen nicken jetzt und sagen: Gesundheit! Aber auch Gesundheit kann einem gestohlen bleiben. Das Herumreiten auf der Gesundheit macht chronisch Kranke zu doppelten Opfern. Einfach mal den Mund halten, wenn es dick kommt.

Glück gehabt

Die UEFA ließ 19.45 Uhr bekannt geben, der Spieler sei bei Bewusstsein und die Europameisterschaft werde fortgesetzt. Waren wir erleichtert? Ja, das waren wir. In unserer ach so gottlosen Zeit hatten Menschen gesagt, es helfe nur noch beten. Es wurde gebetet. Und die an keinen Gott glauben, waren in anderer Weise in sich gekehrt. Einer wollte Energie schicken. So sagte er. Das mögen viele andere Menschen ebenfalls gedacht haben.

Die Spiele gehen weiter. Wir können hoffen, dass diese Unterbrechung vielen Menschen im Gedächtnis bleibt. Und im Hirn und im Herzen, im Sympathicus und im Parasympathicus. Für eine Zeit war das Leben eines Menschen wichtiger als das Spiel. Wenige forderten, es möge weitergehen. Auch wenn wir es in unserer pluralistischen, vielgestaltigen Menschheit nicht mit einer einzigen Stimme sagen können, haben wir doch etwas erfahren, das uns gemeinsam ist. Wir benennen es auf unsere Weise. Jede und jeder drückt es anders aus. Ich sage: Es gibt Grenzen. Und ich sage auch: Wir können nicht alles regeln. Und das ist gut so. Wir erfahren an unseren Grenzen, dass das Leben nicht in Konzepte passt. Gesetze können Rahmenbedingungen schaffen. Mehr nicht.

Abgesehen davon gilt noch immer:

Wenn keine Liebe dabei ist: direkt sein lassen. (Schauspielhaus Bochum)